Illustration: Ari Ban, #MentalLoadAward für Frauen* beraten Frauen*
beziehungsweise 1/2025–Artikel 1
Geteilte Elternkarenz und soziale Nachhaltigkeit
Ziele und Orientierungen in der Versorgung von (Klein-)Kindern
Von Gerlinde Mauerer
Seit über zwei Jahrzehnten haben Österreich und weitere Mitgliedstaaten der Europäischen Union Maßnahmen zur Inanspruchnahme von Elternkarenz und Kinderbetreuungsgeld (KBG) durch beide Elternteile eingeführt. Die eingeführten Maßnahmen zielten auf die Erhöhung der Erwerbstätigkeitsquoten von Frauen und der väterlichen Übernahme von unbezahlten Aufgaben in der Familie. Da der väterliche KBG-Bezug in Österreich seit der Einführung der Maßnahmen keine signifikanten Steigerungen gezeigt hat (vgl. Schmidt u. a. 2024), wurden neue Incentives gesetzt, um eine gemeinsame und alternierende elterliche Inanspruchnahme von Elternkarenz und KBG zu forcieren (Familienzeitbonus, Partnerschaftsbonus). Sowohl national als auch international zeigt sich jedoch bislang eine Tendenz dazu, dass Väter meist nur den für den zweiten Elternteil vorgesehenen KBG-Mindestbezugszeitraum beanspruchen.
Überschreiten von sozialen Normierungen
In der qualitativen soziologischen Forschung wurde eine väterliche Vorbildwirkung in der frühen Kinderbetreuung gezeigt (Deutsch und Gaunt 2020; O'Brien und Wall 2017; Mauerer 2023). Infolge wurde familien- und geschlechterpolitisch das Ziel verfolgt, die Vorbildwirkung von väterlichen role models in der Kinderbetreuung zu stärken (vgl. die Kampagne #papasein, Bundeskanzleramt Österreich und siehe Abbildung oben).
Familiäre Fürsorge und elterliche Erwerbstätigkeit
In der Forschung "Familiäre Fürsorge und elterliche Erwerbstätigkeit im Wandel" wurden elterliche Vereinbarungen von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit untersucht. Es wurden 42 Elternpaare, die jeweils mindestens fünf Monate lang KBG bezogen hatten, in Paarinterviews befragt. Die Analyse fokussierte auf den Übergang zur Elternschaft und auf Tätigkeiten, die während des KBG-Bezugs von beiden Elternteilen ausgeübt wurden. Die zweite empirische Welle mit Individualinterviews fokussierte auf die soziale Nachhaltigkeit der erworbenen elterlichen Kompetenzen.
Paar- und Individualinterviews mit Eltern
Die 42 Paarinterviews wurden von 2021 bis 2022 mit 42 Elternpaaren aus ganz Österreich geführt, 2023 nachfolgend Individualinterviews mit 41 Elternteilen. 31 Elternteile wurden aus dem Sample von 2021–2022 rekrutiert, sowie – zur Verstärkung des Longitudinaleffekts – zehn Elternteile befragt, die bereits an früheren Befragungen zur väterlichen Inanspruchnahme von Elternkarenz teilgenommen hatten (vgl. Mauerer 2018). Die Interviews wurden entlang eines semi-strukturierten Leitfadens geführt, transkribiert und mit der Software MAXQDA analysiert. Die Codierung fand offen und induktiv statt. Die Auswertung orientierte sich an der Informed Grounded Theory (Thornberg 2012). Hierbei wird berücksichtigt, dass themenspezifisches Vorwissen in die Leitfadenerstellung, in die Erstellung von Codes und die themenspezifische Clusterung und Analyse miteinfließen. Alle Namen wurden anonymisiert und pseudonymisiert.
Longitudinalforschung, individuelle und branchenspezifische Veränderungen
Die vorgestellte Longitudinalforschung mit zwei empirischen Wellen eröffnete die Möglichkeit, Ergebnisse zur Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu erfassen.
"Ja, also es war mir auch immer wichtig, dass beide Elternteile im Berufsleben bleiben, sozusagen, wenn es bei einem finanziell beruflich nicht so gut läuft, dass der andere da einspringen kann, dass man flexibel ist, sozusagen auch langfristig, über Jahrzehnte hinweg." (Eugen, Vater einer Tochter, Wien)
Die Paarinterviews wurden zur Zeit der Covid19-Pandemie geführt. Sie zeigten, dass Väter ihre Partnerinnen nach einer zuvor erfolgten Inanspruchnahme von KBG gut unterstützen konnten. Dies war besonders wichtig, wenn die Partnerin in einer Branche tätig war, in der sich das Arbeitsaufkommen während der Pandemie erhöhte, etwa in der Software-Entwicklung.
Dieter: "Ich war dann auf Kurzarbeit mit zehn Stunden (…). Und Tina (…) hat eigentlich mehr gearbeitet wie vorher, (…) ja, also die hätten sie noch mehr gebraucht. (…) Dann war die Frage: Wer kümmert sich um die Kinder? (…) (U)nd ich (habe es) geschafft, dass ich mit dem Arbeitgeber aushandle, dass ich halt nur zehn Stunden mache."
Tina: "Und ich habe in der Zeit mehr gearbeitet und habe dann Stunden aufgestockt in der Corona-Zeit. (lacht)." (Dieter und Tina, 2 Kinder, Wien)
Generell verwiesen die Interviews auf branchenspezifische Unterschiede inklusive saisonaler und konjunkturbedingter Schwankungen im Arbeitsaufkommen. Vorteile des Tragens von (finanzieller) Fürsorge durch beide Elternteile wurden auf unterschiedlichen Ebenen deutlich.
"Wir sind alle in der Winterpause, inklusive Chef. Beziehungsweise der Chef muss halt Büroarbeiten machen im Winter. (….) Wir haben (…) das Hauptaugenmerk auf Baumpflege. Und bei Minustemperaturen ist das ein bisschen gefährlich." (Toni, Landschaftsgärtner, Vater eines Sohnes, Niederösterreich)
Vereinbarungen im Übergang zu Elternschaft
In folgenden Bereichen waren die Befragten vor Herausforderungen im dualen Vereinbaren von elterlichen Aufgaben und von Erwerbstätigkeit gestellt: 1. Die väterliche Übernahme von Kleinkindernährung, 2. eine als früh betrachtete Ausübung von mütterlicher Erwerbstätigkeit nach der Geburt eines Kindes beziehungsweise im ersten Lebensjahr eines Kindes, sowie, zusammengefasst, 3. die Rolle der Eltern als Wegbereiter:innen für sozial nachhaltige Vereinbarungen von bezahlter Erwerbsarbeit und von unbezahlter Kinderbetreuung.
Die Ergebnisse zeigen, dass es für die befragten Väter gut möglich war, die Versorgung von Kleinkindern zu übernehmen. Dennoch wurde deutlich, dass die väterliche Inanspruchnahme von KBG und Elternkarenz nach wie vor als stark individualisierte, besondere Leistung einzelner Väter und Elternpaare wahrgenommen wird. Zugleich zeigte sich, dass Paare, die den KBG-Bezug und damit verbundene elterliche Aufgaben zu annähernd gleichen Anteilen übernehmen, als Vorbilder im Etablieren geschlechtergerechter Verteilungsmuster gelten (Deutsch und Gaunt 2020). Dies spiegelte sich in den geführten Interviews wider: Intergenerationale Veränderungen wurden positiv hervorgehoben, unter anderem betreffend einen guten (Kommunikations-)Draht zwischen Vätern und Kindern:
"Also wenn ich mich und meinen Vater zum Beispiel anschaue, also ich habe mit der Violetta schon mehr gesprochen als ich mit meinem Vater das ganze Leben. (…) (D)ie Chance hast du glaube ich nur, wenn du wirklich viel Zeit verbringst. Du kannst nicht am Wochenende, am Samstagnachmittag oder am Sonntag super irgendwelche Traumwochenenden planen mit den Kindern (…). Dann sind die Kinder mal glücklich, sie sind beschäftigt. Aber ich glaube, Beziehung kommt nur mit der Zeit. Also du musst Zeit verbringen miteinander. Und das kannst du nur machen, wenn du zuhause bist. Und dann muss es auch nicht so spannend, so attraktiv sein." (Joachim, Vater von drei Kindern, drei Mal in Elternkarenz, Vorarlberg)
In Bezug auf die Erwerbstätigkeit der befragten Mütter war herausragend, dass alle Interviewpartnerinnen ein sehr hohes Interesse an der frühen Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit hatten. Die Erwerbstätigkeit der Mütter und ihr Einkommenserwerb waren folglich die Basis für die Herausbildung der darstellten Typen von Vaterschaft.
Unterschiedliche Typen von Vaterschaft
In Bezug auf die väterliche Übernahme von elterlichen Aufgaben in der Versorgung von Säuglingen und Kleinkindern wurden in der dargestellten Forschung drei Haupttypen von Vaterschaft identifiziert. Einzelne befragte Väter entsprachen dabei nicht zwingend allen Facetten eines beschriebenen Typus. Die Motivation und Zielsetzungen beider Elternteile spielen eine zentrale Rolle in der Typengenerierung.
Typ I, hochengagierte Vaterschaft: Väter dieses Typs übernehmen von Geburt an aktiv sorgende Aufgaben, motiviert durch Geschlechtergerechtigkeit. Ihre Kompetenzen entwickeln sie oft im engen Austausch mit der Partnerin. Sie orientieren sich an mütterlichen Vorbildern oder schaffen eigene Rituale und Praxen. Der Fokus liegt auf der Entwicklung von sorgenden Männlichkeiten.
Typ II, rationale Vaterschaft: Dieser Typ betrachtet die Elternschaft als gemeinsames Projekt, oft mit finanziellen oder praktischen Zielen, wie einem Hausbau oder Umzug. Die Partnerin bleibt in diesem Typus oftmals teilzeiterwerbstätig, die Väter fokussieren auf einen emotionale Bindungsaufbau zu den Kindern.
Typ III, erwerbsarbeitsorientierte Vaterschaft: Hier steht die Erwerbstätigkeit beider Eltern im Vordergrund. Die Väter übernehmen sorgende Aufgaben, um der Partnerin eine eigene soziale Absicherung zu ermöglichen. Eine langfristige gleichberechtigte Aufteilung der unbezahlten Arbeit wird nicht unbedingt angestrebt. Traditionelle geschlechterspezifische Handlungsmuster setzen sich in diesem Typus langfristig teils durch, unterstützt durch das Delegieren von Kinderbetreuungsaufgaben an Großeltern oder an Institutionen.
Typen von Vaterschaft | Motivation, Entscheidung | Ziele, Orientierung |
---|---|---|
I. Hochengagierte Vaterschaft, Vater-Sein als Verpflichtung | Eltern-Sein beider "von Anfang an" – Klarheit in Bezug auf die Aufgabenteilungen in der Versorgung von (Klein-)Kindern; klare Ausmachungen | Paar-Orientierung |
II. Rationale Vaterschaft, Familiengründung als gemeinsames Projekt (Erziehung, Finanzierung) | Gemeinsame Gestaltung von Familienzeit, Elternkarenz/-teilzeit als (Zwischen-)Schritt in der Karriereplanung | Familien-Orientierung Bedeutung der finanziellen und emotionalen Belohnung als Vater – sorgende Väterlichkeit durch Bindung zu den Kindern |
III. Vaterschaft basierend auf Chancengleichheit im Einkommenserwerb, Fokus Erwerbstätigkeit beider Elternteile | Unterstützung der Partnerin im Einkommenserwerb, individuelle soziale Absicherung; Vertretungsprinzip | Orientierung am Individuum durch ausgesparte "patriarchale Dividende(n)" (Connell 2006), tendenzielle Fortführung geschlechterspezifischer Ungleichheiten in Sorgepraxen |
Abbildung: Typen von Vaterschaft
Quelle: eigene (gekürzte) Darstellung, Forschung "Familiäre Fürsorge und elterliche Erwerbstätigkeit im Wandel" (FWF, Elise Richter V-843 G)
Typ I: Klare Aufgabenteilungen "von Anfang an"
Die Entwicklung von elterlichen Kompetenzen im Vaterschaftstypus I kennzeichnet, dass sie von beiden Elternteilen "von Anfang an" gemeinsam und in engem Austausch entwickelt werden.
"Also die ersten zwei Februarwochen habe ich freigenommen, die dritte Februarwoche hast du (= Anna) freigenommen. (…). Das Homeoffice war halt echt ein Segen, weil ich habe mitbekommen, was passiert (…), ich konnte ja jederzeit runterkommen (…). Beim Essen war ich echt … also das hat du großartig gemacht, da bin ich einfach nur Nutznießer gewesen, dass ihr das so geübt habt, und habe das halt echt schon super übernehmen können." (Markus, Vater einer Tochter, Wien)
Markus betont, dass die von seiner Partnerin Anna mit der sieben bis acht Monate alten Tochter Nana eingeübte Ernährung eine gute Übergabe in der Kinderbetreuung ermöglichte. Auch David, Vater von zwei Kindern, beschrieb die Ernährung der Kleinkinder als herausfordernd sowie das Entwickeln von spontaner Kreativität im Spiel mit zwei Kleinkindern unterschiedlichen Alters und Geschlechts.
"Anstrengend für mich allein ist zum Beispiel das Essensthema, was wollen wir denn essen, (…). Zu dritt spielen ist halt eher immer so eine Sache, weil es dann eher so um Rollenspiele geht (…), sie will dann quasi mit der Elsa spielen, er will mit Lego spielen und dann ist meine Aufgabe, das zu verbinden, dass wir Elsa-Lego spielen (lacht) und das ist dann eher die herausforderndere Sache." (David, Vater von zwei Kleinkindern, Wien).
Typ II: Gemeinsame Projekte
Im Typus II liegt ein starker Fokus auf der langfristigen Organisation des Familienlebens. In diesem Typus war der väterliche KBG-Bezug öfter mit einem Hausbau oder Umzug verbunden. Dies führte partiell zu einer Retraditionalisierung im elterlichen Verhalten. Akzeptiert wurde dies von beiden Elternteilen deshalb, weil die Bau- und Umzugsphasen als begrenzt angesehen wurden und beide Elternteile verschiedene unbezahlte Tätigkeiten übernahmen.
"Mit der Bauphase sind wir in ein wahnsinnig traditionelles Rollenbild zurückgefallen, in dem ich sehr, sehr unglücklich bin und wo ich ganz oft immer wieder einmal sage, bin ich froh, wenn das mit der Bauerei fertig ist, weil ich will das so nicht mehr. (…) Also wirklich, ich bin ganz klassisch zuständig für Essen beschaffen, kochen, Haushalt, alles, was dazugehört. (…) Bevor diese Bauphase begonnen hat, haben wir uns das wirklich besser aufgeteilt." (Barbara, Mutter einer Tochter, Vorarlberg)
Unbezahlte, teils traditionelle Aufgabenteilungen wurden auch in Bezug auf die Nutzung alternativer Energien deutlich. So gingen meist Väter zu (Gründungs-)Treffen von Energie-Genossenschaften oder zu Messungen an einem Wasserkraftwerk. Joachim, der nach der Geburt des dritten Kindes zwölf Monate lang KBG beansprucht, antwortet auf die Frage, was er gerne mit seinen Kindern mache:
"Na, mit zur Arbeit nehmen (lacht). (…) Also nicht Arbeit, aber ich muss ja, ich betreibe ja drei Kraftwerke und also, da nehme ich sie gerne mit. Also alle drei geht nicht, aber wenn ich zwei, die großen zwei, die nehme ich mit. (…) Dann, also, die bekommen dann auch Kopfhörer, wenn sie irgendwo mit reingehen, dann zeige ich vielleicht das eine oder andere. Ich muss nur ein paar Werte kontrollieren. Also da muss ich nicht wirklich arbeiten. (...) Dann habe ich ein bisschen die Arbeit erledigt und die Kinder finde ich, also es sind ganz kurze Wegstrecken. (…) Mit der Irmi (der Jüngsten) bin ich noch am liebsten zu Hause. Also, weil, also wenn ich alle drei habe, bin ich sowieso immer nur zu Hause. Weil (…) da, da funktionieren die großen zwei und wenn die Irmi was hat, da im gewohnten Umfeld oder mal ich, vielleicht, liegt es noch an mir, da weiß ich mir zu helfen." (Joachim, Vater von drei Kindern, drei Mal in Elternkarenz, Vorarlberg)
Typ III: Erwerbsarbeit und soziale Absicherung
Im Typ III ermöglicht die aktive Ausübung von Vaterschaft den Partnerinnen eine starke berufliche Etablierung. Dieter beispielsweise unterstützte die Erwerbsarbeit seiner Partnerin und äußerte sich positiv über ihre finanzielle Unabhängigkeit. Dennoch blieb die häusliche Arbeit ungleich verteilt, und traditionelle Rollenbilder dominierten.
"Aber ist sicher ein großer Unterschied, weil Tina nur Teilzeit gearbeitet hat. Das heißt, sie ist früher nach Hause gekommen, grundsätzlich, ja? Und das heißt, ich habe eigentlich nur Vormittag allein schaukeln müssen zu 100%, ja, und ein bissl noch was vom Nachmittag, sage ich jetzt einmal, ja, während Tina natürlich viel mehr (übernommen hat)." (Dieter, Vater von zwei Kindern, Wien)
Über die individuelle Erwerbstätigkeit beider Elternteile hinaus wurden auch finanz- und steuertechnische Regelungen in Individualinterviews thematisiert:
"Erst im Ehevorbereitungskurs (…) habe ich gehört von Pensionssplitting (lacht). Unser Ältester ist noch nicht zehn, also das möchte ich jetzt gleich einmal in Angriff nehmen. Und wie ich jetzt Anfang des Jahres einmal mit meiner Steuerberaterin die Einkommensteuererklärung gemacht habe (…), habe ich eine riesige Nachzahlung an Steuern gehabt und sie hat zu mir gesagt, die könnte man reduzieren, wenn man dieses Familienbonus Plus auf dich anteilig macht. Und dann habe ich gesagt, das hat aber schon alles mein Mann gemacht in den Jahren, automatisch in der Firma mit seinen Gehaltsabrechnungen. (…) Ich habe ihn dann gebeten, schau Moritz, es sind insgesamt 22.500 Euro oder so, die du Steuerersparnis hattest in diesen Jahren, wo ich jetzt gerade voll viel nachzahle, das Familienbonus Plus sehe ich als Unterstützung für die Familie, wir haben ein gemeinsames Haushaltskonto, bitte überweise das aufs Haushaltskonto für die Familie, von dem wir unsere gemeinsamen Ausgaben bezahlen. (…) Da habe ich ein bisschen aktiv werden müssen (lacht)." (Dorothea, Mutter von drei Kindern, Oberösterreich).
Dieses Beispiel belegt, in wie viele Richtungen Elternteile – insbesondere Mütter – aktiv werden (müssen), wenn sie verteilungsgerechte, geschlechtergerechte Familienmodelle langfristig verwirklichen wollen.
Fazit: Beide Elternteile wichtig in der frühen Kinderbetreuung
Die vorliegende Forschung verdeutlicht die große Bedeutung beider Elternteile in der frühen Kindesbetreuung. Die generierten Ergebnisse belegen, dass die Ausgestaltung von Vaterschaft stark von individuellen Motivationen und den Zielsetzungen beider Eltern abhängt. Während hochengagierte Väter (Typ I) eine weitgehende elterliche Aufgabengestaltung anstreben, bleiben in den Vaterschaftstypen II und III teils traditionelle geschlechterspezifische Muster erhalten, wenngleich beide Elternteile auch hier soziale Normierungen in der geteilten Inanspruchnahme von KBG und Elternkarenz überschreiten. Das bisherige Stagnieren der Inanspruchnahme von KBG durch beide Elternteile in Österreich gibt Hinweise darauf, dass das Forcieren einer breiteren Inanspruchnahme weiterer geschlechter-, sozial- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen bedarf, um nachhaltige Generationen- und Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Darüber hinaus belegen Familienforschende die Förderung des Kindeswohls durch die gestärkte Bindung zwischen Vätern und Kindern (O’Brien und Wall 2017). Die Verwirklichung der Elternkarenzansprüche beider Elternteile ist ein wichtiger Faktor im Erlangen von sozial nachhaltiger Verteilungs- und Generationengerechtigkeit. Die Betonung der Erwerbstätigkeit von Frauen und die Erhöhung von Fraueneinkommen sind weitere wichtige Bestandteile. In der vorliegenden Forschung wurde deutlich, wie grundlegend und wichtig Fraueneinkommen für die Entwicklung von aktiver Vaterschaft sind.
Literatur
Deutsch, Francine; Gaunt, Ruth A. (2020): Creating equality at home: How 25 couples around the world share housework and childcare. Cambridge: Cambridge University Press.
Mauerer, Gerlinde (2023): Paid parental leave in correlation with changing gender role attitudes. In: Social Sciences 12 (9), S. 490. DOI: 10.3390/socsci12090490
Mauerer, Gerlinde (2018): Both parents working: Challenges and strains in managing the reconciliation of career and family life in dual-career families. Empirical evidence from Austria. In: Social Sciences 7, S. 269. DOI: 10.3390/socsci7120269
O’Brien, Margaret; Wall, Karin (Hg.) (2017): Comparative perspectives on work-life balance and gender equality. Fathers on leave alone. (Life Course Research and Social Policies, 6) Cham: Springer. DOI: 10.1007/978-3-319-42970-0
Schmidt, Eva-Maria; Schmidt, Andrea E.; Mauerer, Gerlinde (2024): Austria. In: Dobrotić, Ivana; Blum, Sonja; Kaufman, Gayle; Koslowski, Alison; Moss, Peter; Valentova, Marie (Hg.): 20th International review of leave policies and research. Band 20. https://www.leavenetwork.org/fileadmin/user_upload/k_leavenetwork/annual_reviews/2024/Austria.pdf
Thornberg, Robert (2012): Informed grounded theory. In: Scandinavian Journal of Educational Research 56 (3), S. 243–259. DOI: 10.1080/00313831.2011.581686
Autorin
Mag.a Dr.in Gerlinde Mauerer forscht am Institut für Soziologie der Universität Wien. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschlechter- und Familienforschung, Männlichkeitsforschung, soziale Ungleichheiten, Gesundheitssoziologie, empirische Sozialforschung. Sie ist Sprecherin der ÖGS-Sektion Feministische Theorie und Geschlechterforschung und Mitglied in den Sektionen Familienforschung und Gesundheitssoziologie.
Kontakt
gerlinde.mauerer@univie.ac.at