Kompendium der Familienforschung in Österreich
Schriftenreihe Nr. 7
Von: Wolfgang Lutz (Hrsg.)
Schriftenreihe Nr. 7 | Wien 1999 | 234 Seiten | ISBN 3-901668-17-9
Die Ansätze der Familienforschung sind so bunt und zahlreich wie die zu erforschenden Familienmuster. So wie es die „Standardfamilie" nie gab, gibt es auch keine Standardform der Analyse familialer Strukturen und Prozesse. Keine der traditionellen wissenschaftlichen Disziplinen hat die Familienforschung gepachtet oder würde zur Analyse dieses überaus komplexen und gleichzeitig für die einzelnen Individuen wie auch für die Gesellschaft so relevanten Phänomens Familie genügen. Die sieben wissenschaftlichen Artikel dieses Kompendiums spiegeln diese Vielfalt der wissenschaftlichen Ansätze. Vielfalt der Ansätze heißt aber nicht, daß Familienforschung der Beliebigkeit überlassen bleibt. Im Gegenteil heißt es gerade, die besten und schärfsten Instrumente der modernen Wissenschaft einzusetzen. Das Objekt der Forschung sind letztlich Beziehung und Reproduktion, die für unsere menschliche Gesellschaft fundamentalsten sozialen, psychologischen, ökonomischen, biologischen und demografischen Prozesse und Zusammenhänge. Beziehung ist zutiefst personaler und zugleich ökonomischer Natur. Sie geschieht zwischen Eltern und Kindern, Geschwistern, Partnern und im weiteren Netzwerk der Verwandtschaft und Wahlverwandtschaft. Familiale Beziehungen sind von höchster Intensität und daher von höchster persönlicher Bedeutung. Zugleich kann keine Gesellschaft ohne die Netze familialer Beziehungen bestehen. Reproduktion ist nicht nur biologischer sondern auch sozialer und kultureller Natur. Sie betrifft sowohl das Individuum wie die Gesellschaft. Durch sie entstehen neue Personen, die eigene Nachkommen und zugleich Mitglieder der Gesellschaft der Zukunft sind. Angesichts dieser überragenden persönlichen und sozialen Bedeutung von intimer Beziehung und Generationenfolge ist es erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit die Familienforschung bisher im Konzert der Wissenschaften erhielt. Vermutlich wurden diese Funktionen der Familien – ähnlich wie Fragen der Ökologie bis vor 20 Jahren – als eine selbstverständliche oraussetzung angenommen, die keiner näheren Aufmerksamkeit bedurfte. Diese Selbstverständlichkeit gilt heute nicht mehr. Familiale Strukturen befinden sich in einem ganz fundamentalen Wandel, dessen Ende offen ist. Die gegenwärtigen Veränderungen stellen sowohl die gewohnten Formen der Beziehungen in Frage wie auch Art und Ausmaß der Reproduktion. Auch wenn dies kein Grund zur Panik ist, so sollte es doch zumindest ein Grund zur verstärkten wissenschaftlichen Analyse der familialen Zusammenhänge und Prozesse sein. Das ÖIF und dieses Kompendium versuchen in Österreich einen kleinen Schritt in diese Richtung zu setzen.
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